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Unterrichtsreihe zu »Mario und der Zauberer«

Am 6. Juni 1875 wurde der weltberühmte Autor Thomas Mann geboren. Heute hätte er also seinen 150. Geburtstag gefeiert – Herzlichen Glückwunsch! Als Thomas Mann-Botschafter des S.Fischer-Verlages feiert unser Podcast natürlich mit und das Geschenk gibt es für euch: Eine komplette Unterrichtsreihe zu Manns Novelle »Mario und der Zauberer«, die wir in Folge 33 für die Oberstufe empfohlen haben.

Die Materialien sind für einen Q1-Deutsch-Leistungskurs designt, lassen sich aber, wie immer, ganz nach euren Wünschen anpassen 🙂

Mein LK bekam einen Monat Zeit, um die Novelle zu kaufen und vor der Reihe durchzulesen. Besonders lang ist das Werk ja nicht. Dazu bekamen Sie die »Tipps zum Lesen in der Q-Phase«, mit Anregungen, wie man sich einem Text nähern kann, der über einfache Unterhaltungsliteratur hinausgeht.

Eingestiegen bin ich ganz billig über die Folie »Erste Runde«. Die Schüler*innen sollten reihum ihre ersten Lektüreeindrücke äußern. Die Trennung in »Inhalt« und »Stil« hilft den S*uS erfahrungsgemäß, konkrete Gedanken zum Werk zu formulieren und nicht in erster Linie über sich selbst zu sprechen (»Mich hat verwirrt, dass…«). Option C ist die gesichtswahrende Option für diejenigen, die das dünne Heft innerhalb eines Monats nicht beschafft oder gelesen haben. Die Kandidaten lesen es aber auch meistens bis zur Klausur nicht…

Den Reihenüberblick kennt ihr vielleicht schon von meiner Woyzeck-Unterrichtsreihe. Ich beginne Lektüre-Reihen in der Sek2 immer gleich, damit die S*uS ein Gefühl dafür bekommen, dass immer ähnliche analytische Aspekte im Mittelpunkt stehen und sie sich jederzeit orientieren können. Den Autor, Thomas Mann, habe ich beim Anteasern der Reihe gleich als freiwilliges Kurzreferat verteilt.

Die Erschließung des Inhalts und der groben Struktur der Novelle habe ich diesmal in Form einer Spannungskurve (siehe oben) aufgegeben: Die Schüler*innen sollten wichtigen Handlungsschritten (X-Achse: Seite 1 bis x) jeweils einen Spannungs-Wert zuordnen (Y-Achse: 0 bis 100%). Die Zweiteilung der Novelle (Vorgeschichte von Cipollas Zaubershow und die Zaubershow an sich) erkannten alle, viele inhaltliche Fragen konnten wir direkt am Anfang klären, fitte Schüler*innen kommentierten bereits den sehr langsamen, aber konstanten Spannungsaufbau mit abruptem Abfall am Ende. Mit der Sequenz war ich sehr zufrieden, weil die Inhaltsangabe (Anforderungsbereich I) direkt mit Denkstoff für die starken S*uS verbunden wurde (Beurteilung der Spannungsentwicklung, AfB III).

Direkt danach begannen wir mit konkreter, sehr kleinschrittiger Textarbeit, die (wie ihr merken werdet…) im Mittelpunkt der Unterrichtsreihe stand. Gerade weil es unsere erste LK-Lektüre war, wollte ich den Umgang mit der Novelle, durchgängiges Verweisen auf den Text / das Belegen eigener Aussagen und Leseverstehen immer wieder trainieren. Wir nahmen uns zunächst den Anfang der Novelle vor: Mithilfe der ersten Seiten sollten die Schüler*innen die Stimmung am Handlungsort Torre di Venere textgestützt beschreiben. Das ist nicht ganz einfach (keine Alltagssprache der S*uS, viel Ironie und subtiler Humor…). Um so lohnenswerter war es, letztendlich Zeile für Zeile an der Tafel Textbelege für Thesen der S*uS herauszuarbeiten (siehe Lösung oben). An der Stelle kann es auch sehr sinnvoll sein, noch einmal die Zitierregeln zu wiederholen.

Die Fachbegriffe zur Erzähltechnik gab ich als Struktur-Puzzle heraus: Die Schüler*innen sollten die Fachbegriffe der Erzähltext-Analyse recherchieren (viele kannten sie aus der Sek1 und der EF, andere noch gar nicht) und dann auf A3-Papier in einer sinnvollen Struktur miteinander vernetzen / aufkleben. Die eine korrekte Lösung gibt es dabei nicht (Ordne ich nach Erzählbericht und wörtlicher Rede? Oder gehe ich vom Erzähler aus? …), aber die Struktur-Puzzle-Methode ist ja gerade dafür da, damit man sich Wissen für sich selbst gewinnbringend visualisiert (Konstruktivismus und so). Einen Lösungsvorschlag, wie ich selbst die Fachbegriffe vernetzen würde, findet ihr ebenfalls oben. Wenn die Zeit knapp ist, könnt ihr auch nur die Fachbegriff-Übersicht herausgeben und besprechen (Puzzeln macht natürlich viel mehr Spaß! :))

Zur Anwendung der Fachsprache gab es zwei Aufgaben: Im Format »Eine Seite über eine Seite« bekamen die S*uS schlicht den Auftrag, sich eine geeignete Seite der Lektüre auszusuchen und eine A4-Seite über deren Erzähltechnik zu schreiben, wobei sie möglichst viele der Fachbegriffe (sinnhaft!) benutzen. Die Methode mag ich gern, weil eine Seite eine überschaubare Fingerübung ist, was den S*uS den Austausch darüber und mir als Lehrkraft das Feedback erleichtert. Eine kleine, feine Übung, bei der man sich auf Details konzentrieren kann – es muss nicht gleich der komplette Interpretationsaufsatz sein.

Als zweite Anwendungsaufgabe sollten die S*uS den Erzählstil des Ich-Erzählers der Novelle (mithilfe der erlernten Fachbegriffe und mit konkreten Textbelegen) erklären. (Welches Erzählverhalten herrscht vor? In welchem Umfang und wozu nutzt der Ich-Erzähler Erzählerkommentare? Direkte oder indirekte? Wie ist die Zeitgestaltung? …). Die Übung war natürlich erstklassige Prüfungsvorbereitung für die Klausur: Wenn man die Erzähltechnik der Novelle vorher kennt und bereits geübt hat, sie direkt am Text zu erklären – was soll in der Prüfung noch schiefgehen? Das Tafelbild, das aus den Lösungen meiner S*uS entstand, findet ihr ebenfalls oben.

Danach widmeten wir uns endlich dem Signore Cipolla: Die Schüler*innen bekamen den schlichten Auftrag, ihn zu zeichnen. Dafür mussten sie natürlich die Textstellen heraussuchen, in denen sein Aussehen beschrieben wird und sich eine Vorstellung davon machen, was dort wirklich steht: Wie sieht ein »Radmantel« aus? Wie darf ich mir einen »Hüft- und Gesäßbuckel« vorstellen? (😱) Beim Zeichnen haben wir auf jeden Fall viel gelacht, das Tafelbild mit der Interpretation der körperlichen Merkmale findet ihr oben.

Um Cipollas Hypnose-Kunst zu untersuchen, habe ich diesmal Textstellen zum Analysieren vorgegeben (Giovanotto-Szene, S.42-45; Signora Angioleri, S.84-87; der Jüngling, S.88-89) und anschließend in einer Art Gruppenpuzzle Cipollas Vorgehen beim Beherrschen und Demütigen seiner Opfer zusammentragen lassen.

Die Materialien zum Erarbeiten der Leitmotive der Novelle und zur Novellenform kann ich hier leider nicht teilen, da ich Material von Schulbuchverlagen genutzt habe. Dabei waren z.B. ein Fachtext zu Merkmalen des Faschismus, ein Auszug aus »Psychologie der Massen« von Gustave LeBon und ein Essay von Sigmund Freud über Massenhypnose. Die Texte haben die S*uS in Kleingruppen erarbeitet und dem Rest des Kurses anhand von Handouts präsentiert und zur Verfügung gestellt.

In der Probeklausur (oben verlinkt, inklusive Feedbackbogen für eine Schreibkonferenz, in der die S*uS ihre fertigen Texte tauschen und sich gegenseitig bewerten) habe ich auf den Anfang von Theodor Fontanes »Effi Briest« zurückgegriffen. Ganz sicher nicht, weil ich den Roman so gern mag, sondern weil die Erzähltechnik sehr stringent und gut herauszuarbeiten ist. Damit konnten die S*uS ihre in der Reihe (hoffentlich) erworbene Analyse-Kompetenz nochmal an einem völlig unbekannten Werk erproben. Den »Mario« kannten sie ja inzwischen ziemlich gut.

Direkt vor der Klausur diskutierten wir dann mit meiner Lieblingsmethode »5 Thesen«. Die S*uS bilden Dreiergruppen und erhalten pro Gruppe eine rote und eine grüne Karte (Zustimmung bzw. Ablehnung). Sie bekommen dann bewusst provokant formulierte Thesen präsentiert (z.B. »Der Ich-Erzähler und Cipolla sind sich sehr ähnlich: Beide lenken ihr Publikum.«, »Der lächerliche Cipolla ist kein Hypnotiseur – das Publikum begeht alle Schandtaten aus freiem Willen«, »Wer den Mord als Cipolla als Erlösung empfindet, ist ein schlechter Mensch«). Die S*uS müssen sich dann innerhalb ihrer Gruppe in drei Minuten auf eine Karte einigen – stimmen sie (eher) zu oder nicht? (Hoher Redeanteil der S*uS!). Auf ein Kommando hält dann aus jeder Gruppe ein*e Schüler*in die Karte hoch (jede Runde rotieren!) und diskutiert im Namen der Gruppe mit dem Rest des Kurses. Ich garantiere für heiße Debatten, in denen es mal wirklich zur Sache geht 🔥 (und ganz viel AfB III).

Damit endete eine lange Unterrichtsreihe, die zwar viel Fleiß und anstrengende Textarbeit forderte, aber auch großartige Gespräche und ernsthafte Gespräche über das Werk ergab. Ich hoffe, für euch ist auch etwas Inspiration dabei! Lasst es mich gern wissen! 🙂

Juristisches: Die geteilten Materialien sind ein Ausschnitt meiner Unterrichtsreihe. Vieles daraus kann ich nicht teilen (z.B. weil mein Unterrichtsmaterial geistiges Eigentum von Autor*innen oder Verlagen enthält oder zu spezifisch auf Schüler*innen zugeschnitten ist).

Die Materialien dürfen bedenkenlos im Unterricht verwendet und dafür verändert werden. Auch Weiterverbreitung und Reuploads sind mit Verweis auf Laberfach.de gern gestattet. Lediglich die kommerzielle Verwendung des Materials ist vollumfänglich untersagt.

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